KTQ® im Pressespiegel
2013/08 - Das Krankenhaus: Qualitätsmanagement
KTQ im Rettungsdienst
Gesamtschau und praktische Umsetzung in Wiesbaden
Qualitätsmanagement wird in allen Bereichen der Medizin mittlerweile nicht nur gefordert, sondern vielmehr als Basis für das medizinische Handeln vorausgesetzt. Am Beispiel des RettungsÂdienstÂÂÂbereiches Wiesbaden wird im Folgenden unter dem Fokus QualitätsÂmanageÂÂÂment auf die Rahmenbedingungen des RettungsÂdienstes und die sich daraus ergebenÂÂden Anforderungen an die Aufsichtsbehörden und die Leistungserbringer eingegangen. Es werden die Vorteile und kritischen Punkte des KTQ-Verfahrens dargestellt, sowohl in der Gesamtschau wie auch bei der praktischen Umsetzung.
Die bundesgesetzlichen Grundlagen für den RettungsÂdienst erstrecken sich im SGB V auf den 8. Abschnitt im ersten Kapitel § 60 Fahrtkosten, den § 133 zur Fahrtkostenübernahme und die vom GÂBA verabschiedete Verordnung von Krankenfahrten, KrankentransportÂleistungen und Rettungsfahrten nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nr. 12 SGB V (KrankentransÂport-ÂRichtlinien). Damit ist der Rettungsdienst gemäß SGB V eine reine Transportleistung, die medizinische Leistung als solche ist nicht berücksichtigt.
Der Rettungsdienst ist im Rahmen der Daseinsvorsorge eine öffentliche Aufgabe. Die rechtlichen Regelungen liegen in der Hoheit der Bundesländer und Stadtstaaten. Die jeweiligen Landesrettungsdienstgesetze regeln Struktur und Durchführung des RettungsÂdienstes. Im Hessischen RettungsdienstgeÂsetz wird den Landkreisen und kreisfreien Städten der Rettungsdienst als Selbstverwaltungsaufgabe übertragen. Damit stehen diese in der Pflicht, den Rettungsdienst sicherzustellen. Die Leistung „Rettungsdienst“ kann von der Kommune selbst erbracht werden oder an Dritte abgegeben werden..
Lokale Rahmenbedingungen in Hessen/Wiesbaden
In Wiesbaden sind fünf Unternehmen in unterschiedlicher quantitativer Ausprägung über eine Beauftragungsvereinbarung mit der Leistungserbringung im Rettungsdienst betraut: der Arbeiter-Samariter-Bund Landesverband Hessen e. V. Region Wiesbaden/Rheingau Taunus, die DRK Rettungsdienst Rhein-Main-Taunus gGmbH, die Johanniter-Unfall-Hilfe e. V. Wiesbaden, die Malteser Hilfsdienst gGmbH Bezirk Limburg und die Ambulanz Wiesbaden Erich Traudes gGmbH. Dabei bleibt aber als oberste Prämisse für den Rettungsdienstträger, dass unabhängig davon, welcher Leistungserbringer zum Notfallort kommt, der Patient die gleiche medizinische Versorgungsqualität erfährt.
Gemäß § 19 des Hessischen Rettungsdienstgesetzes haben die Rettungsdienstträger sicherzustellen, dass geeignete QualitätsÂÂmanagementstrukturen geschaffen werden. In den Beauftragungsvereinbarungen sind dezidierte Vorgaben zum Qualitätsmanagement für die Leistungserbringer in Wiesbaden hinterlegt. Unter anderem, dass sich die QualitätsÂÂsicherungsverfahren an der DIN ISO 9001 zu orientieren haben. Vier der fünf LeistungsÂerbringer sind DIN ISO zertifiziert, der fünfte Leistungserbringer hat entsprechende Strukturen aufgebaut und strebt eine Zertifizierung an. Zur Qualitätssicherung im RettungsÂÂdienst fordert das Hessische Rettungsdienstgesetz in § 20 einen ärztlichen Leiter Rettungsdienst (ÄLRD). Ihm obliegt die Ãœberwachung der Fortbildungsverpflichtungen für das rettungsdienstliche Personal, die Erstellung von Empfehlungen für ärztliches Handeln, die Erstellung von Behandlungsrichtlinien für nichtärztliches Personal, die Festlegung einer einheitlichen pharmakologischen und medizinischen Ausstattung und Ausrüstung, die Festlegung der Fort- und Weiterbildungsthemen sowie das Schnittstellenmanagement bzw. die Zusammenarbeit mit Nachbarbereichen, Krankenhäusern und ergänzenden Strukturen des Rettungsdienstes.
Die strukturellen Rahmenbedingungen, wie Rettungswachenstandorte oder Vorhaltzeiten für Fahrzeuge, sind über den vom Rettungsdienstträger verpflichtend zu erstellenden Rettungsdienstbereichsplan vorgegeben. Weiterführende Regelungen wurden in gemeinÂÂÂsamen Arbeitsgruppen erarbeitet und, sofern erforderlich, in Form von VerfahrensanweisunÂÂgen durch den Rettungsdienstträger festgelegt. Hinsichtlich der Struktur besteht eine hohe Regelungstiefe. Die Strukturvorgaben werden vom Rettungsdienstträger mittels regelÂÂmäßiger Audits überwacht. Als hohe Strukturqualität gelten sowohl klare Strukturvorgaben als auch die in den Kontrollen des Rettungsdienstträgers bestätigte Einhaltung und Umsetzung derselben.
Die Prozesse sind zunächst in nichtmedizinische und medizinische (unmittelbare BehandÂÂlung des Patienten) Prozesse zu unterscheiden. Bei den nichtmedizinischen Prozessen besteht seitens des Rettungsdienstträgers Richtlinienkompetenz. Gleiches gilt für medizinische Prozesse, die das nichtärztliche Rettungsdienstpersonal betreffen. Für die medizinische Tätigkeit der Notärzte und Notärztinnen besteht lediglich eine LeitlinienÂkompetenz.
Problemstellung
Das Controlling und Monitoring von Prozessen im Rettungsdienst ist schwierig, da die Kernprozesse der Leistung außerhalb des Betriebsgeländes erbracht werden und sich damit einer direkten Beobachtung, zum Beispiel durch einen Vorgesetzten oder Qualitätsmanagementbeauftragten, entziehen. Einziges Monitoringinstrument ist derzeit das bei jedem Einsatz auszufüllende Notfallprotokoll. Das Notfallprotokoll ist ein primäres Dokumentationsinstrument für die Patientenversorgung und nicht als Nachweisblatt für ein Prozesscontrolling konzipiert. Es bietet daher auch nur einen sehr eingeschränkten Blick auf die Kernprozesse. Beispielhaft seien hier die Immobilisation zum Patiententransport und das Ableiten eines 12-Kanal- EKGs genannt. Aufgrund der dokumentierten VerdachtsÂdiagnose auf dem Notfallprotokoll kann auf eine erforderliche Immobilisation beispielsÂweise mit Cervikalstütze geschlossen werden. Die Dokumentation auf dem vorgegebenen Notfallprotokoll der DIVI kann mittels Ankreuzen erfolgen. Damit kann ein Nachweis des Erfüllungsgrades bei entsprechender Indikation geführt werden. Ãœber die Qualität der Anlage der Cervikalstütze kann aber keine Aussage getroffen werden. Als weiteres anschauliches Beispiel sei die erforderliche Durchführung eines 12-Kanal-EKGs zur Diagnostik bei der Verdachtsdiagnose „Akutes Coronarsyndrom (ACS)“ genannt. Dies wird wiederum mittels Ankreuzen auf dem DIVI-Protokoll dokumentiert. Ãœber die Qualität der Befundung durch den Notarzt im Sinne einer richtigen Diagnosestellung und Ableitung der für den Patienten dann erforderlichen Maßnahmen kann ebenfalls keine Aussage getroffen werden.
Obwohl alle Leistungserbringer über ein Qualitätsmanagementsystem nach DIN ISO 9001:2000 ff. verfügen und zum größten Teil auch danach zertifiziert sind, war die BeurteiÂlung der Prozesse sowie der Ergebnisqualität als externe Aufsichtsbehörde praktisch nicht möglich. Dies lag zum größten Teil daran, dass bereits die inhaltliche Formulierung der Kernprozesse erheblich differierte. Bei genauer Analyse zeigte sich, dass die DIN ISO 9001 bezüglich spezifischer Prozesse der Kernleistungen große interindividuelle GestaltungsÂspielräume zulässt. Pointiert formuliert reichte die Bandbreite der beschriebenen Kernprozesse von einer reinen Transportleistung bis zur dezidierten Beschreibung einer notfallmedizinischen Behandlung. Die Anforderungen der DIN ISO 9001 sind neutral formuliert und damit auf alle Branchen übertragbar, die ein Qualitätsmanagementsystem betreiben.
Alle Versuche, selbst einfache Regelungen zu konkreten Prozessen im Rettungsdienst zwischen den Leistungserbringern zu vergleichen, sind aus diesem Grunde gescheitert.
Des Weiteren zeigten sich bei der Prozessanalyse große Unterschiede hinsichtlich der Umsetzung der vom Rettungsdienstträger vorgegebenen Prozesse. Dies betraf sowohl die Umsetzung an sich als auch den Durchdringungsgrad bei den einzelnen LeistungserbrinÂgern. Ein regelhaftes Controlling war nur vereinzelt anzutreffen.
Vergleich QM-Systeme KTQ und DIN EN ISO 9001:2000 ff./DIN EN 15224
Das KTQ-Zertifizierungsverfahren ist ein medizinisch fachspezifisches Konzept. Die sechs Hauptkategorien sind für alle medizinischen Bereiche, in denen das KTQ-ZertifizierungsÂverfahren angewendet werden kann, gleich. Die Subkategorien und die darin enthaltenen Fragen sind spezifisch auf den jeweiligen Bereich, wie zum Beispiel den Rettungsdienst, angepasst. Die Fragestellungen beziehen sich auf konkrete Inhalte zur Bewertung der Qualität im Rettungsdienst. Eine Zertifikatsvergabe ist möglich, wenn bei der FremdÂbewertung über alle Kriterien mindestens 55 Prozent der adjustierten Gesamtpunktzahl und bei einzelnen Kernkriterien mindestens 55 Prozent erreicht werden. Die Anforderungen der bisher üblichen DIN EN ISO 9001 sind branchenneutral. Die DIN EN 15224 ist die neue europäische Norm für Systeme im Gesundheitswesen und spezifiziert die Forderungen der DIN EN ISO 9001 in der Sprache des Gesundheitswesens. Diese sind in elf QualitätsÂmerkmalen der Gesundheitsversorgung fixiert, wie beispielsweise angemessene richtige Versorgung, Verfügbarkeit der Dienstleistung, Kontinuität der Versorgung etc. Sie operiert mit konkretisierten, verständlichen Begriffen. Ein wesentlicher Unterschied zur DIN EN ISO 9001 besteht in den deutlichen Ergänzungen hinsichtlich Forderungen nach Risikomanagement und Patientensicherheit. Die neue DIN EN 15224 richtet sich an alle Organisationen im Gesundheitssystem, die ein QM-System einführen und betreiben, sie differenziert aber nicht nach Umfang oder Typ der erbrachten Gesundheitsdienstleistung (Tabelle 1).
Tabelle 1: Vergleich der Hauptkriterien zwischen | |
DIN ISO EN 9001:2000 ff. Acht Grundsätze | KTQ Sechs Kategorien |
1. Anwendungsbereich | 1. Patientenorientierung |
2. Normative Verweise | 2. Mitarbeiterorientierung |
3. Begriffe | 3. Sicherheit |
4. Qualitätsmanagementsystem | 4. Informations- und Kommunikations- wesen |
5. Verantwortung der Leitung | 5. Führung |
6. Management von Ressourcen | 6. Qualitätsmanagement |
7. Produktrealisierung | |
8. Messung, Analyse und Verbesserung |
Die Kriterien zur Zertifikatsvergabe im DIN-ISO-System sind die Erfüllung der Anforderungen der Norm. Der Normanwender muss ein QM-System in Form einer Dokumentation vorÂleÂgen. Das KTQ-Verfahren setzt das Vorhandensein einer QM-Dokumentation als Grundlage voraus. Im Rahmen der KTQ-Zertifizierung wird eine umfassende Selbstbewertung sowie die Erstellung eines Qualitätsberichtes gefordert. Bei der Zertifizierung nach DIN EN ISO 9001 und DIN EN 15224 überprüfen die Auditoren die Erfüllung der Normanforderungen. Im KTQ-Verfahren wird von den Visitoren neben dem Erfüllungsgrad der Durchdringungsgrad beurteilt. Die spezifischen, teilweise sehr detaillierten Fragestellungen machen einen Vergleich verschiedener Leistungserbringer möglich.
Zur Aufrechterhaltung der Zertifizierung müssen die Anwender in allen Systemen alle drei Jahre eine externe Zertifizierung durchführen. Beim KTQ-Verfahren bedeutet dies die erneute Erstellung einer Selbstbewertung und eines Qualitätsberichts. Bei der DIN EN ISO 9001 und der DIN EN 15224 sind zwischenzeitliche jährliche Überwachungsaudits gefordert. Im KTQ-Verfahren ist die Durchführung der Zertifizierung an eine speziell durch die KTQ zugelassene Zertifizierungsstelle gebunden. Die KTQ-Visitoren sind unabhängig von den jeweiligen Zertifizierungsstellen und ebenfalls in einem durch die KTQ gesteuerten Verfahren berufen. Voraussetzung für die Tätigkeit als Visitor ist eine aktive berufliche Tätigkeit mit Leitungsaufgaben im jeweiligen Sektor (Krankenhaus/Rettungsdienst etc.). Im DIN EN ISO-Verfahren ist eine Akkreditierung der Zertifizierungsstellen durch die deutsche Akkreditierungsstelle (DAkks) nicht zwingend erforderlich. Eine inhaltlich berufliche Beziehung der Auditoren zum zertifizierenden Sektor ist ebenfalls nicht erforderlich. Bei der Auswahl eines Zertifizierungsunternehmens für die Zertifizierung nach DIN EN ISO 9001:2000 ff. ist die Zulassung des Zertifizierers für die eigene Branche zu beachten. Dieser sogenannte Scope wird mit Schlüsselnummern (EAC-Branchenschlüssel) angegeben. Der Bereich Rettungsdienst ist unter dem EAC-Branchenschlüssel 38 (Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen) angesiedelt. Die wesentlichen Punkte sind in Tabelle 2 nochmals zusammengefasst.
Tabelle 2: Vergleichstabelle DIN ISO – KTQ | |||
DIN EN ISO 9001:2000 ff. | DIN EN 15422 | KTQ | |
Gesetzliche Anforderungen (Hessen, HRDG) | Der Rettungsdienstträger hat sicherzustellen, dass geeignete Qualitätsmanagementstrukturen geschaffen werden | ||
Benötigtes QM-System | Eigenes QM-System | Eigenes QM-System | Das KTQ-Verfahren ist kein QM-System, sondern ein Zertifizierungsverfahren zur Bewertung eines existierenden QM-Systems. Voraussetzung ist ein vorhandenes QM-System. Dies kann z. B. DIN ISO oder EFQM sein, aber auch selbst entwickelte QM-Systeme der „Marke Eigenbau“ sind möglich. |
Bezug zu medizinischen Inhalten | Nein | Ja | Ja |
Bezug zum Rettungsdienst | Nein | Nein | Ja |
Beurteilung anhand | QM-Handbuch plus Dokumente | Selbstbewertungsbericht plus Dokumente | |
Verfahren | Jährlich interne Audits, alle 3 Jahre externes Audit | Alle 3 Jahre Visitation | |
Wer | Auditor mit Zulassung Branchen-Scope 38 | Durch KTQ berufene Visitoren mit aktiver beruflicher Tätigkeit und Leitungsauf- gaben im jeweiligen medizinischen Sektor | |
Zertifizierungsstelle | Akkreditierung durch DAkks nicht zwingend vorgeschrieben, meist vorhanden | Nur durch KTQ zugelassene Zertifizierungsstellen | |
Zertifikatsvergabe durch | Zertifizierungsstelle | KTQ-GmbH | |
Sonstiges | International anerkannte Zertifikate | gute Akzeptanz im Gesundheitswesen insbes. Krankenhäuser |
KTQ steht für Kooperation, Transparenz und Qualität. Um Qualität messbar und vergleichbar zu machen, ist Transparenz erforderlich. Die Transparenz, insbesondere der konkreten medizinischen Prozesse, die das KTQ-Verfahren bietet, war einer der entscheidenden Gründe, weshalb wir uns für das KTQ-Zertifizierungsverfahren entschieden haben. Im Rahmen des gesetzlichen Auftrags, gemäß HRDG als Rettungsdienstträger übergreifende Qualitätsmanagementstrukturen zu schaffen, stellen die Prozesse und deren Analyse einen integralen Bestandteil der Aufgaben dar. Der Rettungsdienstträger braucht Transparenz, um die an ihn gestellten Aufgaben hinsichtlich Aufsicht und Steuerung wahrnehmen zu können.
Umsetzung
Voraussetzung für die KTQ-Zertifizierung ist ein vorhandenes und bereits funktionierendes QM-System.
KTQ im Rettungsdienst gibt es erst seit September 2011. Anfang 2012 wurde gemeinsam beschlossen, für alle Leistungserbringer das Zertifizierungsverfahren nach KTQ im Rettungsdienst anzugehen. Der Projektplan sah vor, die Selbstbewertung innerhalb von sechs Monaten durchzuführen. Dieses ambitionierte Ziel wurde erreicht und zum 30. September 2012 vollständig umgesetzt. Die formalen Schritte des KTQ-ZertifizierungsÂverfahrens wurden anschließend durchlaufen und mit einer zweitägigen Visitation eines jeden Leistungserbringers im Februar 2013 durch unabhängige Visitoren abgeschlossen.
Bewertung/Diskussion KTQ im Rettungsdienst
KTQ ist kein Qualitätsmanagementsystem, sondern lediglich ein Zertifizierungsverfahren. Voraussetzung für die Zertifizierung nach KTQ ist ein funktionierendes implementiertes QMSystem. Welches QM-System die zu zertifizierende Organisation verwendet, ist letztendlich unerheblich. Im Gegensatz zur DIN EN ISO 9001 und DIN EN 15224 muss beim KTQ-Verfahren zusätzlich ein Selbstbewertungsbericht nebst Qualitätsbericht erstellt werden. Zur Erstellung ist ein intensiver interdisziplinärer Austausch innerhalb der Organisation/des Unternehmens erforderlich. Der Aufwand für die Ersterstellung der Selbstbewertung und des Qualitätsberichtes ist erheblich. Seitens der Organisationen wurde dieser für die Selbstbewertung mit 10 bis 13 Personentagen pro Kategorie, plus 10 bis 13 Personentage für den Qualitätsbericht taxiert. Somit ist für das Gesamtprojekt von einem Aufwand von 70 bis 90 Personentagen auszugehen. Dieser variiert natürlich je nach Größe der Organisation. Damit wird deutlich, dass die Umsetzung innerhalb eines halben Jahres, wie in Wiesbaden, nur unter maximalem Einsatz der Organisationen möglich ist. Dies stellt insbesondere kleinere Leistungserbringer im Rettungsdienst, die zum Beispiel nur ein 24-Stunden-Rettungsmittel betreiben, vor eine fast unlösbare Aufgabe. Der Aufwand für die Audits bei der DIN EN ist hingegen in etwa vergleichbar mit dem für die Visitation bei KTQ.
Durch die unterschiedlichen Landesgesetzgebungen und die dadurch sehr unterschiedÂlichen Regelungen auf lokaler Ebene kommt bei der Bearbeitung des Fragenkatalogs zur Selbstbewertung immer wieder die Frage nach den Verantwortlichkeiten auf. Die zu zertifizierenden Organisationen können Inhalte des Fragenkatalogs dadurch nur als abhängige Organisation beantworten. Die Verantwortlichkeiten liegen bei Dritten. Der legitime Anspruch von KTQ, in der Selbstbewertung das gesamte Rettungswesen abzubilden, führt dazu, dass Aufgaben und Verantwortungsbereiche von RettungsdienstÂorganisationen, Notärzten, Rettungsdienstträgern und Ländern in einem Fragenkatalog ohne unterschiedliche Gewichtung der Verantwortlichkeiten vermischt werden. Beispielhaft sei hier auf das Kriterium 1.2 Rettungsmittel „Zuführung zum Patienten“ hingewiesen. Dort sind viele infrastrukturelle Vorgaben als Kriterium aufgenommen, die in der überwiegenden Zahl der Rettungsdienstbereiche durch den Rettungsdienstträger oder das Land vorgeÂgeben beziehungsweise bereitgestellt, instandgehalten und damit auch verantwortet werden. Wie zum Beispiel die Festlegung von Kriterien zur Nachforderung eines RettungsÂhubschraubers. Die Indikation zur Nachforderung eines Notarztes, egal ob boden- oder luftgebunden, richtet sich nach dem Notarztindikationskatalog, der in den LandesrettungsÂdienstgesetzen bzw. deren Ausführungsverordnungen festgelegt ist. Dadurch ergibt sich für den zu zertifizierenden Leistungserbringer kein inhaltlicher Gestaltungsspielraum und somit auch keine Verantwortlichkeit. Im Verfahren hat sich allerdings gezeigt, dass die Visitoren die Rahmenbedingungen und Verantwortlichkeiten sehr wohl einschätzen können und berücksichtigen, um auf dieser Basis die Fremdbewertung durchzuführen. Aus Sicht der zu zertifizierenden Organisation wäre es hilfreich, bereits bei der Selbstbewertung eine strukturierte Möglichkeit zur Definition von Verantwortlichkeiten bzw. NichtverantwortlichÂkeiten zu haben.
Im Gegensatz zu anderen Zertifizierungsverfahren fordert KTQ unter anderem konkrete Aussagen zu Kernprozessen der medizinischen Leistungen im Rettungsdienst. Beispielhaft sei hier die Kategorie Patientenorientierung mit Subkategorien wie „Ersteinschätzung der Notfallsituation“, „Patientenversorgung während des Transports“ oder „Übergabe des Patienten in der Zielklinik“ genannt. Dies führt zu großer Transparenz der Kernprozesse der Leistungserbringung. Alle fünf Leistungserbringer haben die sechs Hauptkategorien der Selbstbewertung zeitgleich bearbeitet und monatlich unter Moderation des RettungsdienstÂträgers ihre Ergebnisse verglichen. Anfangs war es für alle Beteiligten ungewohnt und schwierig, vermeintlichen Konkurrenten den Blick in interne Prozesse zu gewähren oder diese sogar zu präsentieren. Doch schon bald entstand ein Klima der vertrauensvollen Zusammenarbeit und inspirierenden Kooperation. Somit konnte bereits im Prozess der Selbstverwertung das Best-Practice-Modell zwischen den Leistungserbringern erkennbar eingeführt und gelebt werden. Für uns als Rettungsdienstträger hat sich bereits nach kurzer Zeit gezeigt, dass Kernprozesse transparent und vergleichbar werden.
Das Grundprinzip von KTQ beruht auf dem PDCA-Zyklus (Plan-Do-Check-Act) und somit der kontinuierlichen Verbesserung. Die Berichte der KTQ-Visitoren, in denen die Stärken der einzelnen Leistungserbringer, aber auch deren Verbesserungsmöglichkeiten aufgezeigt sind, dienen als Wegweiser für die Aufgaben der nächsten Jahre. Die Zusammenfassung der fünf Leistungserbringer zeigt dem Rettungsdienstträger, wo jeder einzelne Leistungserbringer Verbesserungspotenziale hat, aber auch, wo gemeinsame Verbesserungspotenziale der Leistungserbringer sind. Dadurch ist es möglich, kritische Bereiche für den Gesamtrettungsdienst zu identifizieren und die Optimierung im Sinne des verantwortlichen Rettungsdienstträgers koordiniert, strukturiert und gezielt anzugehen.
Fazit
Der Rettungsdienst in Wiesbaden ist der erste Rettungsdienstbereich, der anhand eines auf die Medizin fokussierten Zertifizierungsverfahrens ein einheitliches Qualitätsniveau nachweisen kann. Der Pluralismus der Leistungserbringer steht für Innovationskraft und Konkurrenz im positiven Sinne. Der Kommune obliegt dabei die Aufsicht und Steuerung des Rettungsdienstes.
Das KTQ-Zertifizierungsverfahren gibt es seit 2001. Zunächst nur für Krankenhäuser konziÂpiert, wurde es in den Folgejahren auf andere Institutionen wie Pflegeheime, ambulante Pflegedienste und Arztpraxen ausgeweitet. 2011 kam der Rettungsdienst als eigener Leistungsbereich hinzu. In Anbetracht der Gesellschafter der KTQ (die Verbände der Kranken- und Pflegekassen auf Bundesebene, die Bundesärztekammer, die Deutsche Krankenhausgesellschaft, der Deutsche Pflegerat, der Hartmann Bund und der Verband der Ärzte Deutschlands), welche die zentralen Interessenverbände im Gesundheitswesen sind, stellt der Schritt, den Rettungsdienst in den Kreis der nach KTQ-zertfizierbaren Institutionen aufzunehmen, einen Meilenstein in der Entwicklung des Rettungsdienstes und damit der präklinischen Notfallmedizin in Deutschland dar.
Mit dieser Entscheidung wurde bekräftigt und demonstriert, dass es sich beim RettungsÂdienst nicht um eine reine Transportleistung handelt, sondern um eine zentrale mediziÂnische Leistung im deutschen Gesundheitswesen. Insofern haben die Interessenverbände die längst überfällige Anpassung und adäquate Berücksichtigung des Rettungsdienstes im SGB V bereits vorweggenommen. KTQ ist ein spezielles Zertifizierungsverfahren für medizinische Leistungserbringer, das nahe am Patienten ist und sich an dessen spezifischen medizinischen Ansprüchen und Bedürfnissen orientiert. Mittelfristig wird dies dazu führen, dass der Rettungsdienst in erster Linie als das, was er ist, nämlich als medizinische Leistung wahrgenommen wird. Das im März verabschiedete Gesetz über den Beruf der Notfallsanitäterin und des Notfallsanitäters, das endlich zu einer Gleichstellung des Rettungsdienstpersonals mit anderen Gesundheitsfachberufen führt, wird sein Ãœbriges dazu beitragen.
Literatur
1) Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) – URL: www.sozialgesetzbuch-sgb.de
2) Hessisches Rettungsdienstgesetz (HRDG)*) vom 16. Dezember 2010; Nr. 24 – Gesetz und Verordnungsblatt für das Land Hessen, Teil I – 28. Dezember 2010
3) Verordnung zur Durchführung des Hessischen Rettungsdienstgesetzes*) vom 3. Januar 2011; Nr. 2 – Gesetz und Verordnungsblatt für das Land Hessen, Teil I – 20. Januar 2011
4) Rettungsdienstplan des Landes Hessen vom 01. April 2011; Hessisches Sozialministerium
5) Erlass „Qualitätssicherung im Rettungsdienst: Rückmeldezahl für den Rettungsdienst in Hessen“ vom 24. Mai 2005, Az.: V7b18c 12.07.08; Hessisches Sozialministerium
6) DIN EN ISO 9001: 2008
7) DIN EN 15224: 2012
8) KTQ-Manual, KTQ-Katalog Version 1.0 Rettungsdienst ISBN 978-3-940286-23
9) Homepage KTQ: www.ktq.de
Anschrift des Verfassers
Dr. med. Götz Brodermann, Ärztlicher Leiter Rettungsdienst,
Landeshauptstadt Wiesbaden – Gesundheitsamt – Amt 53,
E-Mail: goetz.brodermann@wiesbaden.de
Quelle: das Krankenhaus, 08/2013, S. 794-799.