KTQ® im Pressespiegel
2017/10 - Das Krankenhaus: Patientensicherheit als zentraler Bestandteil des KTQ-Verfahrens
Der Stellenwert der Patientensicherheit als Unternehmensziel und somit des klinischen Risikomanagements als Methodik zur Verbesserung der Patientensicherheit ist in den letzten Jahren stetig gewachsen. Wesentliche Gründe hierfür sind die gestiegene Aufmerksamkeit für das Thema in der ÖffentlichÂkeit, die stetig ansteigenden Haftpflichtversicherungsprämien verbunden mit der Reduzierung der Anzahl der Versicherer und die wachsende Erkenntnis, dass ein Großteil kritischer Ereignisse und Schadensfälle durch klinisches Risikomanagement vermieden werden können.
Stellenwert Patientensicherheit in Zahlen
Nach der häufig zitierten Studie „To err is human“1) vom Institute of Medicine in Washington können 50 – 60 % der kritischen Ereignisse durch eine bessere Organisation, eine höhere Aufmerksamkeit und wirkungsvollere Sicherheitsmaßnahmen vermieden werden. Der Stellenwert der Patientensicherheit in der Öffentlichkeit wird auch im „Eurobarometer 2014“ deutlich: Die deutsche Bevölkerung schätzt die Wahrscheinlichkeit, dass Patienten durch die Krankenhausbehandlung zu Schaden kommen, auf 37 %.
KTQ-Zertifizierungsverfahren zur Patientensicherheit
Bei der Weiterentwicklung des KTQÂZertifizierungsverfahrens in 2015 war das Thema Patientensicherheit ein zentrales Thema. Im aktuellen KTQÂManual sind daher die Themen durch einen Stern* gekennzeichnet, die unter haftungsrechtlichen Aspekten besonders sicherheitsrelevant sind. Die insgesamt 109 Themen verteilen sich auf die in Tabelle 1 aufgeführten Kategorien:
Kategorien | Gesamtes Thema haftungsrelevant | Teilprozess des Themas haftungsrelevant |
---|---|---|
1. Patientenorientierung | 31 | 7 |
2. Mitarbeiterorientierung | 4 | 1 |
3. Sicherheit – Risikomanagement | 49 | 0 |
4. Informations und Kommunikationswesen | 3 | 4 |
5. Unternehmensführung | 3 | 1 |
6. Qualitätsmanagement | 3 | 3 |
Insgesamt sind 38 % der Themen im aktuellen KTQ-ÂManual besonders haftungs- bzw. sicherheitsrelevant. Die größten Anteile sicherheitsrelevanter Themen sind in den Kategorien Sicherheit – Risikomanagement und Patientenorientierung abgebildet. Man kann die Themen in zwei Gruppen unterteilen, zum einen die Methoden des klinischen Risikomanagements und zum anderen besonders sicherheitsrelevante Strukturen und Prozesse.
Methoden des klinischen Risikomanagements Besonders geeignete Methoden, um klinische Risiken zu identifizieren und diese strukturiert zu bearbeiten, sind im entsprechenden Kriterium 3.1.1 „Methoden des klinischen Risikomanagements“2) zusammengefasst; hierzu gehören u. a.:
- Durchführung von Risikoaudits
- Umsetzung eines Critical Incident Reporting Systems (CIRS)
- Beteiligung an einem krankenhausübergreifenden Meldesystem
- Durchführung von Mortalitäts und Morbiditätskonferenzen
- Nutzung des Beschwerdemanagements sowie der Patienten und Mitarbeiterbefragungen zum Thema Patientensicherheit
- Analyse von Behandlungsfehlervorwürfen und Schadensfällen
- Nutzung von Sicherheitsrelevanten Qualitätsindikatoren
Sicherheitsrelevante Strukturen und Prozesse
Beispiele für besonders sicherheitsrelevante Strukturen und Prozesse geordnet nach den sechs KTQÂ-Kategorien sind:
Kategorie Patientenorientierung:
- Strukturiertes Triage und Aufnahmesystem
- Berücksichtigung der Leitlinien der Fachgesellschaften und der Expertenstandards der Pflege
- Patientenaufklärung, Informationsmaterial
Kategorie Mitarbeiterorientierung:
- Berechnungs und Planungsverfahren zum Personalbedarf
- Qualifikationsquoten
- Umgang mit Personalausfall/Engpässen
Kategorie Sicherheit – Risikomanagement:
- FehlerÂ/Sicherheitskultur
- Organisation der Hygiene, hygienerelevante Daten, Infektionsmanagement
- Medizinisches Notfallmanagement
Kategorie Informations- und Kommunikationswesen:
- Berufsgruppenübergreifende Patientendatendokumentation
- Vernetzung der IT und papiergestützten Dokumentation
- Krankenhausinformationssystem inklusive Regelungen zum externen Datenzugriff
Kategorie Unternehmensführung:
- Förderung der Sicherheitskultur, zum Beispiel durch adäquaten Umgang mit Kritik und Fehlern in Verbindung mit Führungsgrundsätzen
- Umgang mit vertraglichen Regelungen inklusive Haftungsabsprachen
- Beauftragtenwesen; Ãœbersicht und Kompetenzen, Aufgaben
Kategorie Qualitätsmanagement:
- Vernetzung des Qualitätsmanagements mit dem klinischen Risikomanagement, zum Beispiel bei der Bearbeitung sicherheitsrelevanter Befragungsergebnisse
- Verantwortlichkeiten und Ablauf zur Bearbeitung sicherheitsrelevanter Beschwerden
- Nutzung von Qualitätsindikatoren
Wie bei allen KTQ-ÂKriterien wird sowohl bei den Methoden des klinischen Risikomanagements als auch bei den besonders sicherheitsrelevanten Strukturen und Prozessen der komplette PDCAÂZyklus bewertet, das heißt die Konzepte, deren Umsetzung in der Praxis, die regelmäßige Evaluierung und die davon abgeleitete Weiterentwicklung.
Erfolgsfaktor Sicherheitskultur
Als wesentlicher Erfolgsfaktor für das klinische Risikomanagement wird die Sicherheitskultur im Kriterium 3.1.1 „Methoden des klinischen Risikomanagements“ thematisiert. Im Kriterium 5.1.2 „Führungskompetenz, vertrauensbildende Maßnahmen“ wird sie ebenfalls abgebildet: „Förderung der Sicherheitskultur, zum Beispiel durch adäquaten Umgang mit Kritik/Fehlern in Verbindung mit den Führungsgrundsätzen“.
In der Praxis zeigt sich immer wieder, dass das beste Konzept, wie zum Beispiel MortalitätsÂ- und Morbiditätskonferenzen, nur dann erfolgreich umgesetzt wird, wenn die jeweilige Führungskraft ihre Vorbildfunktion wahrnimmt, das heißt, die Konzepte aktiv unterstützt und vorlebt. In Mortalitäts und Morbiditätskonferenzen werden regelmäßig aufgetretene Komplikationen und Todesfälle besprochen. Dies erfordert eine Aufbereitung der Fälle anhand der Patientenakte bzw. der Dokumentation im Krankenhausinformationssystem und eine bei Bedarf berufs und fachübergreifende Analyse der Ursachen. Diese kann nur gelingen, wenn die Führungskräfte, zum Beispiel auf der Grundlage entsprechender Führungsgrundsätze und daran orientierter Führungskräfteschulungen, konstruktiv mit Fehlern – auch mit den eigenen – umgehen.
Dies gilt auch bei der Analyse von Anspruchsstellungen und Schadensfällen. Es hängt von den Führungskräften und ggf. einer unterstützenden Moderation des klinischen Risikomanagements ab, inwieweit es möglich ist, die Erfahrungen und Ideen der Mitarbeiter bei dieser sensiblen und für alle Beteiligten belastenden Thematik für die Verbesserung der Patientensicherheit zu nutzen.
Auch bei der Einführung von sicherheitsrelevanten Verfahrensanweisungen und Checklisten, zum Beispiel zur Durchführung des Team-ÂTimeÂ-Outs, bei dem im OP vor dem ersten Schnitt das gesamte Team innehält und u. a. die Identität des Patienten, die Art des Eingriffs und die zu operierende Seite überprüft, haben die Führungskräfte eine Vorbildfunktion. Eine abfällige Bemerkung kann den gesamten Aufwand der Vorbereitung (Definition der Checkliste sowie Klärung der Zuständigkeiten, der Dokumentation und Evaluation) zunichtemachen.
Im KTQ-ÂManual sind die anzustrebende Sicherheitskultur (siehe Kriterien 3.1.1 und 5.1.2) und die Anforderungen an die Führungskräfte im Leitbild mit hierfür geeigneten Führungsgrundsätzen verknüpft (siehe Kriterium 5.1.1).
Falls der Eindruck besteht, dass Führungskräfte ihrer Vorbildfunktion nicht nachkommen, ist die Intervention der Krankenhausleitung entscheidend. Um die Diskussion zu versachlichen, können Kennzahlen, zum Beispiel durch eine Mitarbeiterbefragung (siehe Kriterium 6.2.3) mit Fragen zur Sicherheitskultur und zur Umsetzung der Führungsgrundsätze, erhoben werden. Wenn entsprechende Ziele zur Führung Teil der jährlichen Zielvereinbarung (siehe Kriterien 2.1.2 und 5.2.1) sind, besteht die Chance, dass der Stellenwert der Aktivitäten zur Sicherheits und Führungskultur deutlich erhöht wird.
Erfolgsfaktor Kooperation
Die Kooperation zwischen dem Qualitäts und klinischen Risikomanagement, der Rechtsabteilung und der Haftpflichtversicherung ist ebenfalls Thema im Kriterium 3.1.1. „Methoden des klinischen Risikomanagements“. Diese ist zum Beispiel essenziell bei der systematischen Analyse von Behandlungsfehlervorwürfen und Schadensfällen. Es sollten Kriterien definiert sein, nach denen entschieden wird, welche Vorwürfe/Schadensfälle nach welcher Methodik analysiert werden. Anzustreben ist eine Systematik, die alle Fälle betrachtet und dabei das klini sche Risikomanagement einbezieht.
In Kooperation mit der Haftpflichtversicherung können die Aktivitäten des klinischen Risikomanagements bewertet werden und darauf basierend künftige Maßnahmen zur Verbesserung der Patientensicherheit priorisiert werden. Inhalte entsprechender Bewertungsmodelle sind in die Weiterentwicklung des KTQÂ-Manuals eingeflossen.
Die gemeinsamen Aktivitäten mit Haftpflichtversicherern sind besonders erfolgreich, wenn sie auf einer offenen, vertrauensvollen Zusammenarbeit basierten, die auf das gemeinsame Ziel, die Patientensicherheit zu verbessern, ausgerichtet ist. Dies geht weit über die bisherige Bewertung und teilweise unvollständige Aufarbeitung von Schadensfällen und Âverläufen hinaus. Die Zusammenarbeit hat die aktuellen Schadensstatistiken im Blick, vertraut jedoch darauf, dass das klinische Risikomanagement langfristig zu einer Reduzierung von kritischen Ereignissen und Schadensfällen führt und somit sowohl die Patientensicherheit und Âzufriedenheit als auch die Mitarbeiterzufriedenheit erhöht. Somit wird ein wesentlicher Beitrag für Qualität und Sicherheit sowie für die Wirtschaftlichkeit geleistet.
Im Rahmen der Kooperation mit der Haftpflichtversicherung können auch gemeinsame Veranstaltungen mit aktuellen Informationen zum klinischen Risikomanagement durchgeführt werden. Hierbei können die Sichtweisen des Haftpflichtversicherers, der Kranken und Rechtsschutzversicherung, des Versicherungsmaklers/Risikoberaters und des Krankenhauses dargestellt werden.
Für die Kliniker ist beispielsweise interessant, anhand eines praktischen Falls zu erfahren, wie ein Schaden reguliert und kalkuliert wird. Ein weiteres Thema kann die Kommunikation im Fall von Behandlungsfehlervorwürfen und Schadensfällen sein. Ein wesentliches Ziel ist hierbei, das Vertrauen zwischen dem Behandlungsteam, den Patienten und Angehörigen beizubehalten oder wiederherzustellen. Ein abgestimmtes Vorgehen zwischen Klinikern, der Rechtsabteilung und dem Haftpflichtversicherer ist vor dem Hintergrund der berechtigten Informationsbedürfnisse von Patienten und Angehörigen essenziell. Dies dient auch der Vermeidung einer Eskalation bis hin zu einer rechtlichen Auseinandersetzung.
Fazit
Sowohl die bewährten Methoden zur Identifikation, Analyse und Minimierung von Risiken als auch die besonders sicherheitsrelevanten Strukturen und Prozesse von der Aufnahme bis zur Entlassung sind im KTQ-ÂManual abgebildet. Die Inhalte berücksichtigen die QM-ÂRichtlinie des GÂBA (zum Beispiel zu den Anforderungen an das klinische Risikomanagement und Fehlersysteme), das Patientenrechtegesetz (zum Beispiel zur Patientenaufklärung), die Empfehlungen des Aktionsbündnisses Patientensicherheit (zum Beispiel zur Arzneimittelsicherheit) und der WHO (zum Beispiel zur Vermeidung von PatientenÂ, Eingriffs und Seitenverwechslungen). Die Inhalte gehen auf aktuelle Entwicklungen im Versicherungsmarkt ein, indem die Anforderungen, die Haftpflichtversicherer inzwischen an Krankenhäuser stellen, im KTQÂ-Manual abgebildet und gekennzeichnet sind. Die Bearbeitung der im KTQ-Manual enthaltenen sicherheitsrelevanten Anforderungen kann sich somit positiv auf die Haftpflichtversicherungsprämie auswirken.
Wie in keinem anderen Zertifizierungsverfahren werden die konkreten Inhalte zur Patientensicherheit im KTQÂ-Zertifizierungsverfahren umfassend und auf dem aktuellen Stand abgebildet.
Anmerkungen
1) Kohn LT, Corrigan JM, Donaldson MS: To err is human: building a safer health system. National Academies Press Washington DC, USA 2000
2) KTQ-Manual, KTQ-Katalog Krankenhaus, Version 2015, 3. vollständig überarbeitete Auflage, Verlag W. Kohlhammer GmbH, Hrsg.: KTQ-GmbH, Berlin.
Anschrift des Verfassers
Diplom-Wirtschaftsingenieur Carsten Thüsing, Abteilungsleiter, Kliniken der Stadt Köln gGmbH, Qualitätsmanagement und klinisches Risikomanagement, Neufelder Str. 34, 51067 Köln, Tel.: +49 2 21/89 07-27 85, Fax: +49 2 21/89 07-28 63, ThuesingC@kliniken-Koeln.de
Qualitätsmanagement zwischen Wunsch und Wirklichkeit – KTQ: Die Brücke von der Theorie zur Praxis
Die QualitätsmanagementÂ-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses gibt vor, wie gutes Qualitätsmanagement in Kliniken und Praxen gestaltet werden muss. Auch in Kursen der Ärztekammern können die Grundlagen von Qualitätsmanagement erlernt werden. Ähnliches gilt für das klinische Risikomanagement als Teil des Qualtiätsmanagements. In dicken Büchern werden die gängigen Theorien von Qualitäts und Risikomanagement beschrieben.
Aber: Papier und Worte sind geduldig. Was fehlt, ist die Brücke von der Theorie zur Praxis. Und genau hier kommt KTQ ins Spiel: als Werkzeug, um den Transfer des theoretischen Wissens aus Köpfen und Büchern in die praktische Arbeit am Patienten zu gewährleisten. Und um immer wieder neu zu fragen: Tun wir das Richtige? Machen wir das Richtige auch richtig? Was müssen wir verbessern? Und wie können wir erkennen, ob wir besser geworden sind? PLAN – DO – CHECK – ACT.
Deshalb hat das diesjährige KTQ-ÂForum den Titel „QM zwischen Wunsch und Wirklichkeit – KTQ: Die Brücke von der Theorie zur Praxis“.
Carsten Thüsing beschreibt in seinem Artikel eindrücklich, wie die Aspekte der PatientenÂsicherheit an zahlreichen Stellen im KTQÂVerfahren abgebildet sind. Er macht damit klar: Ein KTQÂZertifikat kann eine Einrichtung nur dann erhalten, wenn das medizinische Risikomanagement nicht nur in den Köpfen existiert, sondern tatsächlich beim Patienten ankommt.
Dieser Artikel ist der erste aus einer kleinen Reihe, die sich damit auseinandersetzt, wie ausgefeilte Theorien zum Qualitätsmanagement dorthin gebracht werden können, wo sie gebraucht werden: an die Basis der Patientenversorgung.
Dr. Josef Mischo/Dr. Bernd Metzinger
Quelle: das Krankenhaus, 10/2017, S. 832-834.