KTQ® im Pressespiegel
2018/05 - Das Krankenhaus: Führung im christlichen Krankenhaus – Die Verzahnung von christlicher Führung, Qualitätsmanagement und Change-Prozessen im Krankenhaus St. Josef der Schwestern des Erlösers
Was bedeutet erfolgreiche Führung in einem christlichen Krankenhaus? Aus Sicht der Verantwortlichen des Krankenhauses St. Josef in Schweinfurt ist dies nicht zuletzt die spirituelle Dimension, die die Unternehmenskultur ausmacht und ein erfolgreiches Qualitätsmanagement begründet.
Es gibt bilanzierfähige und nichtbilanzierfähige Wertschöpfung in der Führung von Mitarbeitern. Empathie für den anderen, der Glaube an die Würde des anderen als Geschöpf Gottes, an seinen Willen zur Einsatzbereitschaft und an seine Fähigkeiten. Die Begabungen des Einzelnen entdecken, fördern und anerkennen ist Aufgabe der Führungs- und Leitungspersönlichkeiten mit Personalverantwortung. Gelingt dann eine Integration in das Ganze des Unternehmens, wird eine Unternehmenskultur geschaffen, in der sich Mitarbeiter entfalten und ent wickeln können. Der Erfolg des Unternehmens „christliches Krankenhaus“ hängt zum großen Teil von den Wertvorstellungen ab, die ihren Ausdruck im Leitbild finden und im Krankenhaus gelebt werden. Eines der Erfolgsmerkmale ist die ganzheitliche Betrachtung des Unternehmens und seiner Mitarbeiter. Gegen einen Trend der zunehmenden Auflösung der Solidargemeinschaft bilden christliche Krankenhäuser eine spirituelle Dienstgemeinschaft als Alternative für die Menschen, die Hilfe und Heilung suchen, und für Mitarbeiter, die diese anbieten.
Führungsgrundsätze, Leitlinien und Ziele dienen als Orientierung. Elementar ist die Qualitätssicherung nach dem KTQ-Verfahren.
In seiner nahezu 90-jährigen Entwicklung hat sich das Krankenhaus St. Josef als einziges konfessionelles Krankenhaus der Region zu einem modernen Akutkrankenhaus der Grund- und Regelversorgung gewandelt. Anspruch des St. Josef ist es, moderne, zukunftsorientierte Medizin mit traditionellen, christlichen Werten zu verbinden. In den Haupt- und Belegabteilungen der Klinik versorgen rund 700 Mitarbeiter jährlich etwa 13 400 stationäre und 20 000 ambulante Patienten.
Das Leitbild
Das Leitbild des Krankenhauses St. Josef ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor des Hauses. Es wird jedem Mitarbeiter bei Arbeitsbeginn ausgehändigt. Das Leitbild umfasst drei Säulen, die das Fundament der Führung im Krankenhaus St. Josef bilden:
- Vertrauensbildende Maßnahmen, die zur Übernahme von Verantwortung motivieren. Unser Leitbild umfasst
- Grundsätze und Ziele
- Leitlinien
- Führungsgrundsätze
- Führungsverantwortung in einen spirituellen Kontext
- der Erlöserspiritualität
- Gemeinsames Tun, Handeln, Entscheiden in Gremien, Arbeitsgruppen, Projektgruppen, betriebliches Vorschlagswesen, offene Türen
- Ein etabliertes Qualitätsmanagementsystem
Nur wenn der Einzelne weiß, dass er sich und seine Ideen unbefangen und angstfrei in das Unternehmen einbringen kann, hat er die Motivation dazu. Den Mitarbeitern wird Vertrauen geschenkt, und auf diese Weise werden Wege geöffnet, sich mit ihren Fähigkeiten in die Weiterentwicklung unseres Hauses einzubringen. Dies soll die Mitarbeiter dazu bringen, die nötige Verantwortung zu übernehmen, sich Gedanken zu machen, Ideen zu entwickeln und den Weg der Umsetzung mitzutragen und zu fördern. Dies erfordert aber von den Mitarbeitern auch die Bereitschaft, diesen Weg des Mitgestaltens zu gehen, und das Profil und den Wunsch, den bequemen Weg zu verlassen und Neues zu denken und zu gestalten.
Ebenso wichtig ist es, den Mitarbeitern von Kollegen- und Führungsseite die dazu erforderliche Unterstützung zu geben. Die Führungsgrundsätze liefern einen Rahmen für diese Grundhaltung. Die Leitlinien sind der Pfad, an den man sich bei der Verwirklichung seiner Ideen entlang orientieren kann.
Führungsverantwortung im spirituellen Kontext
Klösterliche Einrichtung, die über mehr als 150 Jahre lang von der Kraft und Motivation von Ordensschwestern getragen wurden, mussten sich immer wieder erneuern. Die heutige Herausforderung ist eine Übergabe von Verantwortung auf „weltliche“ Mitarbeiter. Der Übergabeprozess beinhaltet eine neue Dimension der Verantwortung, der Bewahrung der Erlöserspiritualität. Was bedeutet dies in der heutigen Zeit? Die Schwestern haben dazu den Satz verankert: „In Liebe für das Leben, damit Erlösung Wirklichkeit wird.“
Um diesen Satz besser zu verstehen, wurden alle Mitglieder der Dienstgemeinschaft aufgefordert, Worte vorzuschlagen, die die sen Satz für unsere Einrichtung am besten beschreiben. Mit elf Worten versuchen Schwestern und Mitarbeiter, sich dem Auftrag der Erhaltung der Erlöserspiritualität zu nähern: „Barmherzigkeit – DaSein – Demut – Glaube – Hingabe – Lebensfreude – Verantwortung – Vertrauen – Verzeihung – Erlösung – Würde.“
Führen und Leiten, Entscheiden, Verantwortung übernehmen: Dies erfordert von den Führungskräften ein ständiges sich Bewusstmachen dieser besonderen Grundhaltung. Entscheider brauchen Demut, eigene Ziele denen der Einrichtung unterzuordnen und den Mut, die dann getroffenen Entscheidungen umzusetzen. Dies zu erreichen setzt eine positive Grundeinstellung und Zuversicht voraus.
Gemeinsames Tun
Erfolge können nur dann nachhaltig sein, wenn sie in einer Gemeinschaft durch Teamarbeit entwickelt und umgesetzt werden. Durch das gemeinsame Handeln lassen sich bessere Ergebnisse erzielen als durch einzelne teilweise egoistische Maßnahmen.
Change: der Entwicklungs- und Veränderungsprozess im Krankenhaus
Jeder Mitarbeiter im Krankenhaus St. Josef hat seine eigenen Aufgaben, doch alles Tun zielt darauf ab, gemeinsam Ziele zu erreichen. Auf der Suche nach Lösungen bewirkt eine Gruppendynamik bessere Ergebnisse. Interdisziplinär besetzte Teams, eine Diskussion und Meinungsäußerung frei von Hierarchien und Ängsten, eine harmonische, positive Grundstimmung – all das sind Grundvoraussetzungen für ein kreatives Miteinander zum Wohle der Mitarbeiter und der Patienten. Deshalb sind im Krankenhaus St. Josef viele Teams innerhalb der QM-Organisation institutionalisiert. Besprechungen beginnen stets mit einem Zitat aus dem Leitbild. Im Haus verbreitet sind geläufige Moderationstechniken, Brainstormings und auch World-Cafés. Die Ergebnisse dieser Gruppen und Gremien werden umgesetzt oder fließen zumindest ein in Entscheidungsvorlagen oder Vorschläge für Entscheidungsträger.
Dabei zählt das Teamergebnis: Jeder Mitarbeiter sollte bereit sein, sich von den anderen inspirieren zu lassen, Ideen zu liefern, aber auch auf den Ideen der anderen aufzubauen. „Eine der größten Schwierigkeiten für einen Helfer ist es, Leute zu finden, mit denen der Prozess des Helfens selbst diskutiert werden kann, mit denen die wunderbaren Interventionen, die zum Durchbruch führenden Erkenntnisse und die entsetzlichen Fehler besprochen und analysiert werden können.“1)
Das Vorgehen wurde in einem eigenen Change-Prozess festgehalten und im Qualitätsmanagement-Handbuch der Klinik beschrieben. Er nennt sich: Entwicklungs- und Veränderungsprozess im Krankenhaus.
„Eine Organisation und ihr Umfeld sind einem stetigen Wandel unterworfen. Unser Auftrag ist es, die Veränderungen intern und extern zu erkennen und durch geführte Design- oder Veränderungsprozesse zu gestalten. Wir sind aufgefordert, Veränderungen in unserem Krankenhaus so schnell und in dem Umfang durchzuführen, wie sich unser Umfeld und unsere Umwelt verändern. Nur so kann ein Überleben im Wettbewerb gesichert werden.“2)
Der Change-Prozess gliedert sich in folgende Phasen:
1. Erkennen von Veränderungen
Jeder der einen Veränderungsbedarf erkennt, hat die Aufgabe, diesen weiterzugeben. Adressaten sind alle Vorgesetzten und zur weiteren Beratung die Gremien Krankenhausrat, Geschäftsleitung, Lenkungsgremium QM und das innerbetriebliche Vorschlagswesen. Die Freiheit des Einzelnen und der Mut, sich zu äußern, sind dabei zwingende Grundvoraussetzung und werden von allen (insbes. jeder Führungskraft) gefördert. Zudem wurden anonyme Fehlermeldesysteme zum Lernen aus Fehlern und Beinahe-Fehlern eingeführt.
2. Projektinitiierung
Die Gremien beraten und setzen bei Bedarf eine Projekt- oder Arbeitsgruppe ein.
3. Projektmanagementprinzipien3)
- Veränderung und Neuordnung beginnen, bevor Gegebenheiten eine Änderung erzwingen.
- Veränderung bedeutet Prozessmusterwechsel. Gewohntes Verhalten, Gebräuche, Abläufe, Verhaltensweisen, Werkzeuge, Instrumente werden zum Teil erheblich verändert.
- Bekanntes und Stabilität fallen weg, Unbekanntes kommt auf uns zu.
Um zu neuen Möglichkeiten zu gelangen, muss der bekannte Weg verlassen werden
- Instabilität bewirkt „Schmetterlingseffekt“
Kleine Veränderungen können durch Multiplikatoren einen großen Effekt hervorrufen
- Veränderung und damit Unsicherheit erfordert eine klare Neuorientierung
Veränderungen setzen Vision und Strategie also einen Rahmen voraus, warum und mit welchem Zweck etwas anders wird. Zwingend nötig sind Meilensteine, um festzustellen, wo man sich gerade auf dem Weg zum Ziel hin befindet.
4. Phasen eines Veränderungsprozesses4)
- Auftauphase: Erkennen von Veränderung oder auch krisenhafte Entwicklung
- Veränderungsphase: Spannungsfeld zwischen Widerstand und Schub
- Einfrierphase: Stabilisierung der Veränderung
5. Projektabschluss und Einhaltung von Regelkreisen
- Laufender Bericht an das Gremium, das die Projektgruppe eingesetzt hat
- Laufende Prüfung, ob im Veränderungsprozess Anpassungen stattfinden müssen
- Abschlussbericht
- Freigabe der Maßnahmen durch das einsetzende Gremium
- Überleitung des Projekts in die Prozessorganisation und in die tägliche Arbeit
Etabliertes Qualitätsmanagementsystem
Im Krankenhaus St. Josef wird seit über 15 Jahren Qualitätsmanagement als Managementmethode eingesetzt. Von Anfang wurden alle Mitarbeiter und alle Berufsgruppen einbezogen. Dies ist eine wichtige Voraussetzung für ein funktionierendes QMS. Auch die Krankenhausführung muss sich kompromisslos, aber kritisch damit identifizieren.
Ein weiterer wichtiger Erfolgsfaktor ist der Umgang mit Kritik. Sie muss angehört und ernst genommen werden. So kann Kritik wichtige Impulse geben, um das System stetig weiterzuentwickeln, wenn die Führungskräfte bereit sind, sie ernst zu nehmen und in Gesprächen den Nutzen zu erörtern. Das Hinterfragen von Arbeitsabläufen, aber auch der Sinnhaftigkeit des gesamten Qualitätsmanagementsystems sind elementare Bausteine.
Eine große Hilfe zur Weiterentwicklung stellt der KTQ-Katalog dar, der sich ebenfalls im Laufe der Jahre kontinuierlich verbessert hat. Die im Leitbild des Krankenhauses St. Josef festgeschriebenen Ziele und Werte sind auch im KTQ-Manual zu erkennen: Die Leitbildkapitel des Krankenhauses St. Josef sind mit den Kategorien des KTQ-Manuals nahezu identisch.
Die Krankenhausführung wird durch die entsprechenden Kriterien in der Kategorie „Unternehmensführung“ aktiv und praktisch in ihrer Arbeit am QM-Prozess beteiligt. Aus den einzelnen Fragestellungen ergeben sich gute Anhaltspunkte, um die eigene Führungsarbeit kritisch zu hinterfragen und zu verbessern. Die Beschäftigung mit der KTQ-Kategorie Unternehmensführung mit den Kriterien:
- Führungskompetenz, vertrauensbildende Maßnahmen
- Ethische, kulturelle und religiöse Verantwortung
- Marketing, Kommunikation, Krisenmanagement
- Strategie, Entwicklung, Vermittlung und Umsetzung
- Wirtschaftliches Handeln, kaufmännisches Risikomanagement
- Gesellschaftliche Verantwortung, Partnerschaften, Kooperationen
- Organisationsstruktur und Arbeitsweise der Führungsgremien
- Innovation und Wissensmanagement
hilft einzuordnen, wo die beiden Krankenhäuser des St. Josef stehen, wo sie gut sind und was noch verbessert werden kann. Die Arbeitsgruppe, die diese Kategorie in der Selbstbewertung zur Vorbereitung der KTQ-Zertifizierung bearbeitete, bestand aus Vertretern des Trägers, den Verwaltungsleitern, der Vorsitzendenden der Mitarbeitervertretung, den Pflegedirektoren und den Qualitätsmanagementbeauftragten. Die dort geführten Diskussionen, das Vertreten verschiedener Standpunkte, der einrichtungsübergreifende Austausch in einer konstruktiven Atmosphäre und die daraus entstandenen Projekte bilden ebenfalls wichtige Elemente für den Erfolgsfaktor „Führung“ in beiden Krankenhäusern.
Das KTQ-Manual bietet somit eine gute Gelegenheit, den Erfolgsfaktor „Führung mit christlicher Werteorientierung und Spiritualität“ abzubilden und zu bewerten. Es bietet eine ideale Systematik und Strukturhilfe.
Anmerkungen
1) Vergleiche Ed Schein, Prozessberatung für die Organisation der Zukunft, Bergisch Gladbach 2003, Seite 56
2) Vergleiche Werner Vogt, Gerhard Junker, Den Wandel im Griff. Mit geeigneten Führungsinstrumenten eine Veränderungskultur schaffen. In: QZ 01/2001, Seite 41–45.
3) Vergleiche Armin Töpfer, Erfolgreiches Changemanagement im Krankenhaus 2006, Heidelberg, Seite 583
4) Vergleiche Kurt Lewin: Gleichgewichte und Veränderungen in der Gruppendynamik. In: Kurt Lewin: Feldtheorie in den Sozialwissenschaften. Ausgewählte theoretische Schriften. Herausgegeben von Dorwin Cartwright. Hans Huber, Bern u. a. 1963, Seite 223–270
Anschrift der Verfasser
Sr. Lydia Wießler, Leiterin der Kommunität/Erwin Göbel, Leiter Verwaltung und Organisationsentwicklung/Andreas Hering Qualitätsmanagementbeauftragter, Krankenhaus St. Josef Schweinfurt, Ludwigstraße 1, 97421 Schweinfurt
Quelle: das Krankenhaus, 05/2018, S. 431-436.